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Mathematisches Pendel

mathematisches Pendel, Modell Massepunkt, idealisiertes Pendel, Fadenpendel

Vorbetrachtungen zum mathematischen Pendel

Das Mathematische Pendel ist ein theoretisches Modell zur vereinfachten Beschreibung von Schwingungen an einem Fadenpendel. Dabei werden folgende Idealisierungen vorgenommen:

  1. Der Faden ist masselos (die gesamte Masse befindet sich im Pendelkörper).
  2. Es tritt keine Reibung auf, weder zwischen Pendelkörper und Luft, noch an der Aufhängung des Fadens.
  3. Um die rücktreibende Kraft weitgehend linear zu halten, gelten die Betrachtungen nur für kleine Auslenkungen (Kleinwinkelnäherung)
Fadenpendel Schwingung animiert
01 mathematisches Pendel

Diese Idealisierungen können im realen Experiment natürlich nicht vollständig umgesetzt werden. Wir können aber versuchen, uns diesen Bedingungen anzunähern. Dieser Tatsache sollten wir uns auch bei der Auswertung von Messreihen bewusst sein.

  • Wir wählen nur kleine Auslenkungen, um u.a. die Geschwindigkeit und damit die Luftreibung geringer zu halten. (weitere Aspekte wie die Kleinwinkelnäherung kommen weiter unten)
  • Wir wählen eine Kugel mit relativ großer Dichte, um dem Modell Massepunkt möglichst nahe zu sein.
  • Wir hängen die Kugel bifilar auf, damit sie nur in einer Ebene schwingt.
Fadenpendel Schwingung
02 mathematisches Pendel - Parameter

Welche Parameter beeinflussen die Schwingungsdauer T0 des mathematischen Pendels?

Dazu stellen wir die folgenden Hypothesen auf. Wir vermuten, dass die Schwingungsdauer von der …

      • Masse des Pendelkörpers
      • Auslenkung des Pendels
      • Länge des Fadens

… abhängig ist. Diese Hypothesen wollen wir im Folgenden experimentell überprüfen. Wie bei jeder experimentellen Überprüfung müssen wir wieder darauf achten, in jedem Teilexperiment nur einen der zu untersuchenden Parameter zu ändern.

experimentelle Überprüfung der Schwingungsdauer am mathematischen Pendel

Da wir die Zeiten der Pendelbewegungen möglichst einfach und massenkompatibel aufnehmen wollen, werden wir ein paar Optimierungen um das Experiment organisieren.

  1. bifilare Aufhängung (s.o.)
  2. Wir werden statt einer Schwingung jeweils 10 Schwingungen messen, um den Fehler bei der Messwertaufnahme zu dezimieren.
  3. Das Pendel wird zum Versuchsbeginn nur um maximal 10° ausgelenkt, um Fehler bei der Berechnung so gering wie möglich zu halten.  

zu 1. Abhängigkeit der Schwingungsdauer von der Masse des Pendelkörpers

Fadenlänge l = 0,7 m; Auslenkung α= 10°

Die Messwerte zeigen, dass die Schwingungsdauer T0 von der Masse des Pendelkörpers unabhängig ist. Damit ist die Hypothese der Masse falsifiziert.

  • Masse – keine Abhängigkeit

zu 2. Abhängigkeit der Schwingungsdauer von der Auslenkung des Pendels

Fadenlänge l = 0,7 m; Auslenkung m=142,5 g

Bis zu einem Winkel von ca. 20° ist keine signifikante Abhängigkeit der Schwingungsdauer von der Auslenkung zu beobachten.

Für kleine Winkel ist die Schwingungsdauer T0 von der Auslenkung des Pendels unabhängig.

Damit ist die Hypothese zur Abhängigkeit der Schwingungsdauer von der Auslenkung für kleine Winkel falsifiziert.

  • Auslenkung – keine Abhängigkeit

zu 3. Abhängigkeit der Schwingungsdauer von der Länge des Pendels

Pendelkörper m=142,5 g; Auslenkung α= 8°

03 Regression zum l-T0-Diagramm

Die Regression zeigt, dass hier vermutlich eine Potenzfunktion vorliegt.

Linearisierung

Den vermuteten Zusammenhang können wir mit einer Linearisierung verifizieren.

04 Linearisierung der Potenzfunktion aus Bild 03

Weiter zur Auswertung der Regression

{\large \begin{array}{l}\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,y=0,2\cdot {{x}^{0,498}}\\\\\ddot{U}bersetzen\,\,\,\,\downarrow \,\,\,in\,\,\,Physik\\\\\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,{{T}_{0}}(l)\,=0,2\cdot \sqrt{l}\end{array}}

Auf der y-Achse haben wir die Zeit abgetragen, also gilt: y⇒ T0

Auf der x-Achse haben wir die Länge l abgetragen. Also gilt: x ⇒ l 

Damit können wir die 3. Hypothese verifizieren.

{\huge {{T}_{0}}\sim \sqrt{l}   }

Der Proportionalitätsfaktor muss die Einheit 1 s/m0,5 haben.

{\large \begin{array}{l}Einheiten:\\aus\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,T\sim \sqrt{l}\\fo\lg t:\,\,\,\,\,\,\,1\,s=\,k\cdot {{m}^{\frac{1}{2}}}\\k=1\frac{s}{{{m}^{\frac{1}{2}}}}=1\sqrt{\frac{{{s}^{2}}}{m}}\end{array} }

Diese Einheit sieht wie der Kehrwert der Einheit des Ortsfaktors unter einer Wurzel aus. Vermutlich gilt:

{\large \displaystyle {{T}_{0}}\sim \sqrt{\frac{l}{g}}}

Wir tragen in der Tabelle neben der Pendellänge l und der Schwingungsdauer T0,  die folgenden Quotienten ab:

{\large \text{Wenn}\,\,\,\,{{T}_{0}}\sim \sqrt{\frac{l}{g}}\,\,\,,\,\,\,\text{dann}\,\,\,\text{gilt}:\,\,\,\frac{{{T}_{0}}}{\sqrt{\frac{l}{g}}}=\,\text{konstant}\text{.}   }

Die Quotienten in der Tabelle bestätigen die Annahme. Der Median der Quotienten beträgt 6,30, der Durchschnitt der Quotienten ergibt 6,33. Beide Werte liegen sehr nah an 2π.

Der Quotient hat keine Einheit. Daher können wir vermuten, dass der Proportionalitätsfaktor hier 2π  (6,28318531…) beträgt.

Für die Schwingungsdauer am mathematischen Pendel gilt:

{\huge {{T}_{0}}=2\pi \cdot \sqrt{\frac{l}{g}} }

Dieser Zusammenhang lässt sich mathematisch herleiten. Dabei verlassen wir aber den Rahmen der aktuellen Schulmathematik. Die Herleitung zur Schwingungsgleichung am mathematischen Pendel gibt es hier.

Herleitung zum mathematischen Pendel

a) Geometrie "der Wege"

mathematisches Pendel - Wege
03 Fadenpendel - Geometrie

An einem Fadenpendel der Länge l schwinge die Masse m.

Wir gehen davon aus, dass die Bewegung auf der Erde stattfindet. Zur Idealisierung vernachlässigen wir die Masse des Fadens und Reibungen zwischen Pendel und Luft und an der Aufhängung. ⇒ Mathematisches Pendel

 Nach der Auslenkung um den Winkel φ, befindet sich der Pendelkörper auf der Höhe y.

{\large \alpha =90{}^\circ -\frac{\varphi }{2}   }

{\large \begin{array}{l}\frac{s}{2}=l\cdot \sin \left( \frac{\varphi }{2} \right)\,\,\,\,\,\,\,\,\Leftrightarrow \,\,\,\,\,\,\,s=2\cdot l\cdot \sin \left( \frac{\varphi }{2} \right)\\y=s\cdot \sin \left( \frac{\varphi }{2} \right)\end{array} }

{\large \displaystyle \begin{array}{l}\,\,\,\,\,\,\,\,\,y=\underbrace{2\cdot l\cdot \sin \left( \frac{\varphi }{2} \right)}_{S}\cdot \sin \left( \frac{\varphi }{2} \right)\\\\\left[ 1 \right]\,\,\,y=2\cdot l\cdot {{\sin }^{2}}\left( \frac{\varphi }{2} \right)\end{array} }

Aus den Additionstheoremen folgt:

{\large\displaystyle \begin{array}{l}{{\sin }^{2}}\left( x \right)=\frac{1}{2}\left( 1-\cos \left( 2x \right) \right)\,\,\,\,\,\,\,\,bzw.\,\,\,\,\,\,\sin \left( \frac{x}{2} \right)=\sqrt{\frac{1-\cos \left( x \right)}{2}}\\\\Einsetzen\,\,in\,\,\left[ 1 \right]\\\\y=l\cdot \left( 1-\cos \left( \varphi  \right) \right)\end{array}   }

b) Geometrie der Kräfte

mathematisches Pendel
04 Fadenpendel - Geometrie der Kräfte

Am Pendel können wir die Kräfte Ft , Fr und FG einzeichnen.

FG ist die Gewichtskraft.

FG = m·g

Fr ist die Kraft, die den Faden stramm hält.

{\large {{F}_{r}}={{F}_{G}}\cdot \cos \left( \varphi \right) }

Ft wirkt tangential zum Kreisbahnausschnitt  und ist die rücktreibende Kraft.

{\large {{F}_{t}}={{F}_{G}}\cdot \sin \left( \varphi \right) }

{\large \left[ 1 \right]\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,{{F}_{t}}=\,\,-m\cdot g\cdot \sin \left( \varphi  \right) }

Vorzeichen „Minus“, da Ft gegen Richtung des Koordinatensystems wirkt.

Unterscheide Bogen b und Strecke s

Für kleine Winkel (φ<10°) gilt: sin(φ) ≈ φ  { \left[ 2 \right]\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\sin \left( \varphi \right)\approx \varphi }

Das können wir an der folgenden GeoGebra Animation überprüfen. Erst ab Winkeln von mehr als 13° beträgt die Abweichung von sin(φ) zur Bogenlänge b mehr als 1%.

{\huge \begin{array}{l}\frac{Anteil\,\,Winkel}{Vollwinkel}=\frac{Bogen}{Kreisumfang}\\\\\frac{\varphi }{2\pi }=\frac{b}{2\pi \cdot l}\,\,\,\,\,\Rightarrow \,\,\,\varphi =\frac{b}{l}\end{array}}

Da die Beziehung zu jedem Zeitpunkt gilt, ersetzen wir den Bogen b mit der Auslenkung in Abhängigkeit von der Zeit:

{\large \\\left[ 3 \right]\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\varphi =\frac{x\left( t \right)}{l}}

{\large \begin{array}{l}F=m\cdot a=m\cdot \ddot{x}\\\left[ 4 \right]\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\ddot{x}=\frac{{{F}_{t}}}{m}\end{array}  }

Einsetzen und Verbinden von Gleichung 1 bis 4

{\large   \ddot{x}\left( t \right)=\frac{{{F}_{t}}}{m}=\frac{-m\cdot g\cdot \sin \left( \varphi  \right)}{m}=\frac{-m\cdot g\cdot \varphi }{m}=\frac{-m\cdot g\cdot \frac{x(t)}{l}}{m}=\,-\frac{g\cdot x(t)}{l}  }

{\huge \ddot{x}\left( t \right)+\frac{g}{l}\cdot x(t)=0}

Differentialgleichung

Die hier hergeleitete Gleichung ist eine Differentialgleichung. Eine Differentialgleichung ist eine Gleichung, in der neben einer Größe, auch die Ableitung dieser Größe enthalten ist. In diesem Fall sind es die Größen Auslenkung und die zweite Ableitung der Auslenkung, also die Beschleunigung.

Da wir hier x(t) und {\large \ddot{x}(t)} benötigen, bilden wir zunächst die Ableitungen.

Die Auslenkung des Pendels ist zum Zeitpunkt Null (x(0)=max), daher wählen wir für die Ausgangsfunktion die Kosinus-Funktion.

{\large  \begin{array}{l}x(t)=\hat{x}\cdot \cos \left( \omega t \right)\\\dot{x}(t)=-\hat{x}\cdot \omega \cdot \sin \left( \omega t \right)\\\ddot{x}(t)=-\hat{x}\cdot {{\omega }^{2}}\cdot \cos \left( \omega t \right)\end{array} }

Einsetzen in die Differentialgleichung

Ausgangsgleichung:

{\large \ddot{x}\left( t \right)+\frac{g}{l}\cdot x(t)=0}

Einsetzen und Ausklammern:

{\large \begin{array}{l}- \textcolor{red}{ \hat{x}}\cdot {{\omega }^{2}}\cdot \textcolor{red}{ \cos \left( \omega t \right)}+\frac{g}{l}\cdot \textcolor{red}{ \hat{x}\cdot \cos \left( \omega t \right)}=0\\- \textcolor{red}{ \hat{x}\cdot \cos \left( \omega t \right) }\cdot \left[ {{\omega }^{2}}-\frac{g}{l} \right]=0\end{array}}

Ein Produkt ist Null, wenn mindestens einer der Faktoren Null ist!

Der erste Faktor enthält den Kosinus, er wird periodisch Null. Daher konzentrieren wir uns auf den zweiten Faktor    {\large \begin{array}{l}\,\,\,\left[ {{\omega }^{2}}-\frac{g}{l} \right]=0\\\\\\{{\omega }^{2}}-\frac{g}{l}=0\,\,\,\,\,\,\Rightarrow \,\,\,\,\,\,\,\,\,\huge\omega =\sqrt{\frac{g}{l}}\end{array}}

{\large  \begin{array}{l}\left. \begin{array}{l}\omega =2\pi \cdot f\,\,\,\,\,\Leftrightarrow f=\frac{\omega }{2\pi }\\\\f=\frac{1}{T}\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\Leftrightarrow T=\frac{1}{f}\end{array} \right\}T=2\pi \cdot \frac{1}{\omega }\\\\\left. \begin{array}{l}T=2\pi \cdot \frac{1}{\omega }\\\\\omega =\sqrt{\frac{g}{l}}\end{array} \right\}\,T=2\pi \cdot \sqrt{\frac{l}{g}}\end{array}    }

{\huge T=2\pi \cdot \sqrt{\frac{l}{g}}}

Die Schwingungsdauer T am mathematischen Pendel ist nur von der Fadenlänge und dem Ortsfaktor abhängig.