Spektrum der Röntgenröhre

Röntgenröhre, Spektrum, Röntgenstrahlung, x-ray, Bragg Bedingung, charakteristische Strahlung, kontinuierliche Strahlung, Bremsstrahlung

Im vorherigen Abschnitt sind der Aufbau und die Funktion der Röntgenröhre geklärt worden. Die Entstehung der Röntgenstrahlung (Bremsstrahlung und charakteristische Strahlung) sind bekannt.

Ziel der folgenden beiden Experimente ist es,

  1. das Spektrum der Röntgenröhre und
  2. den Einfluss der Beschleunigungsspannung

zu untersuchen.

01 Aufbau: Experiment Spektrum der Röntgenröhre mit CASSY

Wie kann die Untersuchung der Röntgenstrahlung erfolgen?

Um die Röntgenstrahlung zu untersuchen, benötigen wir eine Möglichkeit, ihre Wellenlängen bzw. Frequenzen zu bestimmen. Dafür nutzen wir die Erfahrungen der BRAGG-Reflexion. Da die Röntgenstrahlen sehr kurzwellig sind, benötigen wir eine Gitterstruktur, die auch entsprechend kleine Netzebenabstände d hat. Dafür haben sich Kristallgitter, wie Lithium-Fluorid, Natriumchlorid, … als geeignet herausgestellt. In dem hier dargestellten Experiment wurde mit einem Lithium-Fluorid-Kristall (LiF) gearbeitet. Der Netzebenenabstand beträgt hier d=201 pm.

02 Aufbau mit x-y-Schreiber
03 Messwerte vom x-y-Schreiber

1. Spektrum der Röntgenröhre

Aufbau:

Die in der Röntgenröhre erzeugte Röntgenstrahlung wird über eine Blende auf ein Lithium-Fluorid Kristall gestrahlt. Der Kristall ist drehbar gelagert. Das Zählrohr, ein Geiger-Müller-Zählrohr, ist so montiert, dass seine Position stets dem Reflexionsgesetz genügt.

  • Position des Kristalls ►α
  • Position des Zählrohrs ►2α
04 Aufbau schematisch
  • Röntgenröhre mit Kupferanode (UBmax=25 kV)
  • Gitter – LiF Kristall d=201 pm
  • Geiger-Müller-Zähler
  •  und Impulswandler

zur grafischen Darstellung: x-y-Schreiber oder CASSY

Durchführung:

An der Röntgenröhre wird eine feste Beschleunigungsspannung UB eingestellt. In diesem Fall wählen wir eine Spannung von 25 kV. Die von der Röhre emittierte Röntgenstrahlung wird durch eine Blende auf den Kristall ausgerichtet. Am Kristall wird die Röntgenstrahlung an den verschiedenen Netzebenen reflektiert. Nur der Anteil der Röntgenstrahlung, der die Bragg-Bedingung {n\cdot \lambda =2\cdot d\cdot \sin \left( \alpha  \right)} erfüllt, interferiert konstruktiv und kann vom Zählrohr registriert werden.  

Jetzt wird der Winkel des Kristalls langsam von 3° bis 45° erhöht. Das Zählroher nimmt in diesem Bereich die Winkel von 6° bis 90° an. (siehe Animation)

Die reflektierte Strahlung wird am Zählrohr registriert. Die Anzahl der registrierten Impulse wird in Abhängigkeit vom Winkel des Kristalls aufgetragen.

Wenn die Messung bei einem Winkel von 0° begonnen wird, dann ist bis ca. 3° ein maximaler Ausschlag zu beobachten. Das liegt daran, dass der durch die Blende fokussierte Röntgenstrahl noch eine leichte Divergenz aufweist. Damit gelangen für Winkel bis ca. 3° einige Röntgenstrahlen direkt zum Zählrohr. Da diese nicht den Weg über den Kristall genommen haben, ist es sinnvoll, die Messung erst oberhalb von 3° zu beginnen.

05 Spektrum der Röntgenröhre (Cu-Anode, LiF-Kristall)

Auswertung:

Ab einem Winkel von 7,2° ist ein Anstieg der Messkurve zu beobachten. Unter 7,2° werden keine Impulse registriert.

Zunächst rechnen wir die auf der x-Achse dargestellten Winkel in Wellenlängen und Frequenzen um. Dazu können wir die Ergebnisse der BRAGG-Reflexion nutzen.

Wellenlänge λ:

{\begin{array}{l}n\cdot \lambda =2\cdot d\cdot \sin \left( \alpha  \right)\\\,\,\,\,\,\lambda \,=\frac{2\cdot d\cdot \sin \left( \alpha  \right)}{n}\end{array}}

{\lambda \,=\frac{2\cdot 201\,pm\cdot \sin \left( 7,2{}^\circ  \right)}{1}}

Frequenz f:

{\begin{array}{l}f=\frac{c}{\lambda }\\f=\frac{3\cdot {{10}^{8}}\,m}{50,4\,pm\,\,\,s}\,=\frac{3\cdot {{10}^{8}}\,m}{50,4\cdot {{10}^{-12}}m\,\,\,s}\\f=5,95\cdot {{10}^{18}}\,Hz\end{array}}

Für die anderen Werte können wir analog vorgehen.

06 Skalen

Wenn wir zunächst die Peaks bei 20,4°; 22,7° und 44,0° herauslassen und den Rest der Messkurve betrachten, dann erkennen wir ein Spektrum, dass bei einer Wellenlänge von 50,4 pm beginnt und dann bis 45° langsam verflacht. Das Spektrum ist kontinuierlich. Dieses Spektrum wird durch die Bremsstrahlung erzeugt. Die beschleunigten Elektronen können beim Auftreffen auf die Anode ihre kinetische Energie ganz oder teilweise abgeben.

Die kurzwellige Grenze des Spektrums bei 7,2° entspricht einer Frequenz von 5,95·1018 Hz. Die Energie, die eine elektromagnetische Welle dieser Frequenz hat, können wir mit den Ergebnissen aus dem Photoeffekt berechnen.  E=h·f

Die Berechnung liefert eine maximale Energie von 24,6 keV. Das ist etwas weniger, als die Beschleunigungsspannung, die wir an der Röhre angelegt hatten.

07 Spektrum mit idealisiertem Bremsspektrum

Wie kommt es zur Entstehung der Peaks?

Bei den Winkeln 20,4° und 22,7° können wir zwei deutliche Peaks erkennen. Bei 44° tritt ein kleiner Peak auf.

Die beiden ersten Peaks sind die Glanzwinkel der charakteristischen Röntgenstrahlung. Wir können hier die Kα und die Kß Linie beobachten.

Der erste Peak ist energiereicher und ist damit der Kß Linie zuzuordnen.

Peak bei 44°

Hier können wir zunächst zwei Hypothesen aufstellen:

  1. Der Peak bei 44° könnte der Glanzwinkel einer höheren Ordnung der Kα oder Kß
  2. Der Peak bei 44° könnte eine L-Linie sein, also ein Übergang auf Schale L.
08 Energieniveaus des Anodenmaterials

zu Hypothese 1.

Die BRAGG Bedingung für das Entstehen von Glanzwinkeln lautet:

  • Einsetzen in die Gleichung
  • für l wird die Wellenlänge des Peaks der Kß Linie gewählt

{\displaystyle \begin{array}{l}n\cdot \lambda =2\cdot d\cdot \sin \left( \alpha \right)\\n\,\,=\,\frac{2\cdot d\cdot \sin \left( \alpha \right)}{{{\lambda }_{{{K}_{}}}}}\\n\,\,=\,\frac{2\,\cdot \,  201\,pm \,\cdot \,\sin \left( 44{}^\circ \right)}{140,1\,pn}\\n\,\,=\,1,99\,\approx 2\end{array}}

Damit haben wir gezeigt, dass es sich bei dem Peak bei 44° vermutlich um den Glanzwinkel 2. Ordnung der Kß Linie handelt.

zu Hypothese 2:

Diese Hypothese können wir mit dem bisherigen Wissen nicht nachhaltig überprüfen. Die beiden folgenden Abbildungen (09 und 10) zeigen das Energieniveauschema von Kupfer. Die erste Abbildung zeigt die Herstellerangabe der Firma PHYWE. Die zweite Abbildung stellt eine Reduktion auf den Schulstoff dar.

jenseits des Schulstoffs:

In der ersten Abbildung sind mehrere L-Schalen und M-Schalen, sowie ihre Energieniveaus zu erkennen. Dabei handelt es sich um sogenannte Feinstrukturen. Wir werden rechnerisch zeigen, dass wir diese im aktuellen Experiment nicht benötigen.

(L3 – K) EKα3 =8046 eV → λ = 154,2 pm → α = 22,56°

(L2 – K) EKα2 = 8027 eV→ λ = 154,5 pm → α = 22,60°

(L1 – K) EKα1 = 7882 eV→ λ= 157,4 pm → α = 23,10°

Es ist zu erkennen, dass sich die Sprünge von den unterschiedlichen Feinstrukturen der L-Schale (Kα) auf der x-Achse um ca. 0,5° unterscheiden. Diese Unterschiede können wir mit dem Experiment nicht auflösen.

zur Kß – Linie:

(M2 –K) EKß2 = 8903 eV →λ= 138,9 pm -> α = 20,21°

(M1 –K) EKß1 = 8857 eV →λ= 140,0 pm -> α = 20,38°

Auch diese Differenz von ca. 0,2° können wir im Experiment nicht auflösen.  

09 Herstellerangaben: Firma PHYWE
10 Energieniveaus - Kupfer

Kann der Peak bei 44° von einem Sprung einer höheren Schale erfolgt sein?

Dem Energieniveauschema (Abb. 10) können wir entnehmen, dass der energiereichste Sprung auf eine L-Schale (oranger Pfeil) eine Energie von max. 1096 eV aufweisen kann.

ELmax = 1097 eV →λ=1131 pm → kein Glanzwinkel!

Die energieärmste Röntgenstrahlung, die wir mit dem Aufbau messen können, entspricht der Energie, die bei einem Winkel von 45° dargestellt wird.

{\begin{array}{l}\lambda =2\cdot d\cdot \sin \left( \alpha  \right)\\\lambda =2\cdot 201\,pm\cdot \sin \left( 45{}^\circ  \right)\\\lambda =284\,pm\end{array}}

Die Wellenlänge von 284,3 pm entspricht einer Energie von 4364 eV. Damit haben wir gezeigt, dass der Peak bei 44° nicht mit einem Sprung auf die L-Schale zu begründen ist.

Sprünge von höheren Schalen auf die K-Schale entfallen, da sie energiereicher sind und bereits vor den beiden Peaks bei 20,4° und 22,7° zu beobachten sein müssten.